Schweiz
Konsum - Detailhandel

Coop und Migros: So wird mit Bio-Produkten abkassiert

Ein Mitarbeiter raeumt Gemuese ein, neben einem Schild mit der Aufschrift "Tiefpreis" in der Migros Limmatplatz, aufgenommen anlaesslich einer Medienkonferenz zu Neuerungen in den Migros-Sup ...
Tiefpreis? Wohl nicht bei Bio-Produkten, besagt eine neue Studie. (Symbolbild)Bild: KEYSTONE

Neue Studie wirft Coop und Migros «Abzockerei» mit Bio-Produkten vor – so wehren sie sich

Eine neue Studie kritisiert die Preisgestaltung von Migros und Coop bei ihren Bio-Produkten und spricht dabei von «Diskriminierung». Den beiden orangen Riesen wird vorgeworfen, die Preise – und die Margen – künstlich aufzublasen.
24.10.2025, 20:3927.10.2025, 16:21
«Die Migros erzielt mit Produkten, die zertifizierte Label (wie Bio) tragen, keine höheren Margen.»

Dies bestätigte ein Migros-Sprecher gegenüber Le Temps – und widerspricht damit direkt einer Studie von Marchés équitables Suisse (MES), die diesen Donnerstag veröffentlicht wurde.

Übersetzung

Dieser Text wurde von unseren Kolleginnen und Kollegen aus der Romandie geschrieben, wir haben ihn für euch übersetzt.

Die Organisation untersuchte Preisunterschiede zwischen konventionellen Produkten und ihren Bio-Äquivalenten sowie den Anteil des Kaufpreises, der an die Produzenten zurückfliesst. Dabei zeigte sich: Es besteht ein deutliches Ungleichgewicht zwischen dem Verkaufspreis eines Bio-Produkts und dem Betrag, den Migros und Coop den Landwirten bezahlen.

«Während die Verbraucherpreise stabil bleiben oder steigen, sinken die Erzeugerpreise in gewissen Fällen sogar. Besonders betroffen sind Fleisch, Früchte, und Gemüse.»
Marchés équitables Suisse gegenüber LeTemps

Dass Bio-Produkte sowohl im Supermarkt als auch in der Produktion teurer sind als ihre konventionellen Gegenstücke, ist wohl erwiesen. Doch dass der Anteil der Produzenten an diesem höheren Preis in keinster Weise mit der Preissteigerung im Handel mithält, ist bemerkenswert.

Die Studie, die von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) durchgeführt wurde, macht diese Diskrepanz deutlich. Zum Beispiel:

«Beim Hinterschinken berappen die Detailhändler dem Kunden zwei- bis dreimal so viel für Bio-Produkte wie für konventionelle Ware. Nur 12 Prozent des Verkaufspreises gehen an die Landwirte zurück.

Marché Equitables Suisse zeigt die Berechnung dahinter auf: «Der Bio-Aufpreis beträgt für die Konsumenten rund 250 Prozent, doch die Mehreinnahmen von Bio-Bauern machen lediglich 52 Prozent davon aus. Für Stéphanie Lichtsteiner, Co-Direktorin von MES, ist das ein ernst zu nehmendes Problem:

«Das ist schockierend – sowohl aus sich des Konsumentenschutzes als auch aus der Perspektive der Produzenten.»

Laut MES werde «die Kaufbereitschaft für Bio-Konsumentinnen und -konsumenten finanziell ausgenutzt», während weder die Produzenten noch die Umwelt davon profitieren. Dies mache die Bio-Produktion für viele Landwirte kaum rentabel.

Migros und Coop weisen die Anschuldigungen zurück

Von «Le Temps» befragt widersprechen die beiden Handels-Schwergewichte. Die Migros kritisiert die Methodik der Studie, während Coop die Unterschiede damit erklärt, dass die grosse Zahl an Zwischenhändlern ihre Margen schmelzen lasse und auf unterschiedliche Verarbeitungsmethoden verweist:

«Die getrennten Warenströme, Lizenzgebühren und Kontrollen, oder die Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit.»
Coop gegenüber Le Temps

Stéphanie Lichtsteiner weist darauf hin, dass Migros und Coop beim Fleisch Tochtergesellschaften haben: Micarna (Migros) und Bell (Coop). Ihrer Ansicht nach ist die Ursache für die Preisunterschiede wohl eher eine künstliche.

Bio Suisse weist währenddessen auf einen weiteren Grund für die hohen Preise bei Fleischprodukten hin: Ein Teil des Bio-Fleischs fände im Supermarkt keinen Käufer und werde daher als konventionelles Fleisch verkauft. Die Händler würden den daraus resultierenden Einnahmeverlust auf die als Bio gekennzeichneten Produkte umwälzen.

Es ist zwar schwer zu beurteilen, ob die Margen von Coop und Migros nun gerechtfertigt sind oder nicht, zumal die beiden die Details ihrer Zahlen nicht veröffentlichen. Doch genau hier liegt für MES eben auch ein Kernproblem, auf das im Bericht hingewiesen wird:

«Um unser Lebensmittelsystem nachhaltiger zu gestalten, ist es zwingend notwendig, dass faire Preise für die Produzenten eingeführt werden und die Preisgestaltung insgesamt transparenter wird.

Das ist der einzige Weg, um Bio-Produkte für die Konsumenten erschwinglich zu machen und gleichzeitig eine umwelt- und tiergerechte Produktion zu gewährleisten.»

Die Detailhändler würden «die Bereitschaft der Konsumenten, für Bio-Produkte mehr zu bezahlen, ausnutzen», während «die ungerechtfertigte Preiserhöhung die Bio-Produktion weniger attraktiv macht und damit den Übergang zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung ausbremst», da die Produzenten für ihre Arbeit nicht angemessen entlohnt würden.

(hun, Übersetzung cpf)

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126 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Peter D
24.10.2025 21:22registriert Januar 2023
Migros und Coop haben Bio zur moralischen Hochpreiszone gemacht. Wer Bio kauft, will Gutes tun – für Umwelt, Tier und Mensch. Doch genau dieses gute Gewissen wird zur Verkaufsstrategie. Der Preis steigt, die Marge auch – beim Bauern bleibt wenig hängen.
Ist das legitim? Im Luxussegment wie bei Mercedes zahlt man für Status – freiwillig. Aber Bio ist kein Statussymbol, sondern ein ethisches Versprechen. Wer hier abzockt, handelt nicht clever, sondern zynisch.
Ich kaufe keinen Mercedes – weil’s mir egal ist. Aber Bio betrifft uns alle. Nachhaltigkeit wird zur moralischen Falle.
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anonymer analphabet
24.10.2025 21:35registriert April 2016
Ich würde sehr gerne mehr Bio kaufen, ich mag es einfach überhaupt gar nicht wenn ich das Gefühl habe, dass hier etwas überteuert angeboten wird. Dieses Gefühl hatte ich schon vor ca. 20 Jahren als das mit Bio angefangen hat. Ich sage nur schämt euch Migros und Coop und ändert das doch endlich mal, anstatt uns weiter anzulügen.
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fax
24.10.2025 21:52registriert Juni 2014
Für die Grossverteiner ist Bio ein Margenbringer, der den Billiger-Trend kompensiert. Es ist richtig, die überhöhten Margen zu kritisieren. Gleichzeitig muss man auch sagen, dass Bio-Suisse ein Gebühren- und Administrations-Monster ist. Das kostet richtig viel Geld Bio zu machen. Vielleicht würde es was bringen Bio-Suisse zu verstaatlichen, dann würden die Gebühren vielleicht billiger?
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